Sascha Bisley liest aus seinem Buch: Zurück aus der Hölle
Waiblingen, Februar 2019
Es ist still. Mucksmäuschenstill. Zwei vollbesetzte Schulklassen der Gewerblichen Schule Waiblingen und deren Lehrer hängen gebannt an den Lippen eines Mannes, der in der Bibliothek des Beruflichen Schulzentrums fast wie ein Fremdkörper wirkt. Sascha Bisley, Autor und Sozialarbeiter, gefühlt bis an die Zähne tätowiert, erzählt an diesem trüben Wintertag den Jugendlichen, die da vor ihm sitzen, aus dem dunkelsten Kapitel seines Lebens. Genauer aus den ersten 19 Jahren seines Lebens, die vor allem durch drei Dinge gekennzeichnet waren: Alkohol, Drogen und Gewalt. Und von der Nacht, die das änderte. Die Nacht, in der Bisley, im Rausch und gemeinsam mit einem Freund, mit Schlägen, Tritten und Messern, einen wehrlosen Obdachlosen so zurichtet, dass dieser später stirbt. "Saufen", so der heute 45jährige, habe seit er denken könne zu seinem Leben gehört. Mit zehn Jahren ist er das erste Mal betrunken, mit elf entdeckt er Klebstoffschnüffeln für sich, später steigt er um auf Speed und Koks. Seine Freunde sind Zuhälter, Kleinkriminelle und Jugendliche, wie er selbst, die sich nur dann lebendig fühlen, wenn sie anderen Schmerzen zufügen. Seinen Lebensunterhalt verdient er durch Gelegenheitskriminalität, da einem Zuhälter helfen, hier was ausbaldowern und "wenn du einem auf die Schnauze schlägst, kannst du ihm auch gleich sein Geld abnehmen."
Bisley kommt nach "der Nacht" ins Gefängnis. Untersuchungshaft. Im "Knast" ist jetzt er es, der zusammengeschlagen, gedemütigt und gequält wird. Bisley schaut in diesen Monaten tief in sich hinein. Er erkennt, wie verlogen sein Leben ist, das Getue von der Gangster Bruderschaft, die es in Wahrheit gar nicht gibt, das vorgebliche Cool sein, das in Wahrheit nur der untaugliche Versuch ist Untauglichkeit zu überdecken. Er fragt sich, was sein Leben wert ist, indem Gewalt verüben "Entertainment" ist. Er bereut, wird vom Saulus zum Paulus. Er schreibt seinem Opfer, Jonathan. Er bittet um Verzeihung, er beschönigt nichts, sein Anwalt stellt den seitenlangen Brief zu. Und Jonathan, der Obdachlose dem Bisley den Schädel eingeschlagen hat, liest und verzeiht. Und mehr, er macht sich vor Gericht für Bisley stark. "Herr Richter, eine milde Strafe für den Jungen, der macht das nie wieder", habe er ausgesagt, sagt Bisley. Jonathan wird Recht behalten.
Auf Bewährung entlassen krempelt der Wahl-Dortmunder sein Leben um. Er macht Therapien, viele, er wird Sozialarbeiter und er fängt an zu schreiben. "Zurück aus der Hölle" heißt sein erstes Buch, das sein Durchbruch wird und mit dem er seitdem durch die Republik tourt. Um Jugendliche anzusprechen, wie er selber einer war. Damals. Um zu verhindern, dass noch ein Jonathan sterben muss, so wie sein Jonathan, der wenige Monate nach Bisleys Freispruch seinen Verletzungen erlegen ist. "Wir haben ihn umgebracht" sagt Bisley. Er und sein damaliger Freund Philip. Der Satz hallt durch die Bibliothek und er muss sich setzen.
Bisley will Jugendlichen ein Beispiel sein. Eine Hilfe, die vielleicht dazu beiträgt, dass der eine oder andere beginnt sich selbst zu helfen und erkennt, dass Gewalt nie eine Lösung ist. Und das , wenn es nach Bisley geht, ohne zuvor, so wie er zuvor, bis zum Äußersten gegangen zu sein.